Von Gletschern ausgegrabene Täler, die sich dann wieder mit Sedimenten verfüllten, stellen wichtige Klimaarchive dar. Gerade in dicht besiedelten und tektonisch aktiven Regionen wie den Europäischen Alpen ist es essenziell, ihre komplexe geologischen Struktur und die elastischen Eigenschaften der Sedimente zu verstehen, um Erdbebenrisiken und Grundwassermanagement zu bewerten. Sarah Beraus liefert mit ihrer Doktorarbeit "High-resolution seismic crosshole tomography to characterize the sediments in glacially overdeepened valleys" methodische Empfehlungen für die Gestaltung von Crosshole-Experimenten und FWI-Workflows sowie detaillierte seismische Geschwindigkeitsmodelle im glazial übertieften Tannwald-Becken nahe Ingoldingen. Sie verteidigte am 10. Oktober erfolgreich an der Leibniz Universität Hannover.

Sarah Beraus untersuchte in ihrer Doktorarbeit "High-resolution seismic crosshole tomography to characterize the sediments in glacially overdeepened valleys" das vom Rheingletscher geformte Tannwald-Becken (ICDP-Bohrstelle 5068_1) nördlich des Bodensees bei Winterstettenstadt. Drei Bohrungen, jeweils bis in die Molasse abgeteuft und eng als Dreieck angeordnet, ermöglichten hochauflösende seismische Crosshole-Messungen. Innerhalb von 30 Feldarbeitstagen wurden Datensätze für Kompressionswellen (P-Wellen) und Scherwellen (S-Wellen) aufgenommen – angeregt mit einer Funken-Quelle („Sparker“) sowie orthogonal polarisierenden S-Wellen-Quellen.
Zunächst entstand ein Laufzeit-Tomographiemodell mit geostatistischen Randbedingungen. Es erreicht eine vertikale Auflösung von 5 m und korreliert gut mit der Kernlithologie und den Schallgeschwindigkeiten aus Bohrlochmessungen (Sonic Logs). Damit ließ sich die eindimensionale Interpretation der Bohrkerne in die Fläche übertragen. Anschließend erhöhte die Wellenforminversion (Full-Waveform Inversion, FWI) die vertikale Auflösung auf etwa 1 m – entsprechend der durch Quell- und Empfängerabstand gesetzten Grenze. Die methodische Bewertung zeigte den Einfluss der Gradientenglättung und verdeutlichte die Mehrdeutigkeit seismischer Inversion anhand vergleichbarer Wellenformanpassungen und Korrelation mit der Bohrkern-Lithologie und den Sonic Logs.
Die Ergebnisse legen eine zielgerichtete Gestaltung der Inversions-Workflows nahe: Anisotrope Gradientenfilter eignen sich für eine lithologische Abbildung, während isotrope Filter lokale Inhomogenitäten besser auflösen. Die Geschwindigkeitsmodelle, aus den separat invertierten P-Wellendatensätze ergeben ein konsistentes pseudo-dreidimensionales Modell der Kompressionseigenschaften des Untergrunds.
Die Arbeit liefert konkrete Empfehlungen für die Planung von Crosshole-Experimenten und FWI-Workflows und stellt detaillierte seismische Geschwindigkeitsmodelle für das Tannwald-Becken bereit. Damit unterstützt sie seismische Gefährdungsanalysen (Erdbeben) und die hydrogeologische Charakterisierung glazial übertiefter Täler – Archive, die zugleich zentrale Informationen zur Klimaentwicklung speichern.
Prüfer der Doktorarbeit waren Prof. Dr. Gerald Gabriel (LIAG, LUH), Prof. Dr. Thomas Bohlen (KIT / GPI) und Prof. Dr. François Holtz (LUH). Die Publikation wird in naher Zukunft online zur Verfügung stehen.