Die Organisation des umfassenden Kernwaffenteststopps (CTBTO) bereitet die Umsetzung des Umfassenden Kernwaffenteststopp-Vertrags vor. Dieser Vertrag verbietet nach seinem Inkrafttreten alle nuklearen Explosionen. Zur Vorbereitung zählen Techniktests für Vor-Ort-Inspektionen. Die Forschungsabteilung Geophysikalische Erkundung am LIAG bringt hierfür seismische Expertise mit der Eigenentwicklung ELVIS ein. Verlässliche seismische Signaturen von Hohlräumen helfen, mögliche Testgelände rasch zu identifizieren oder auszuschließen; zugleich profitieren zivile Anwendungen wie die Untergrundcharakterisierung in Karstgebieten.

Die Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization (CTBTO) ist eine internationale Organisation mit Sitz in Wien. Sie wurde gegründet, um den umfassenden Kernwaffenteststopp-Vertrag (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty, CTBT) zu fördern und auf dessen Umsetzung vorzubereiten. Der Vertrag verbietet, sobald er in Kraft ist, alle nuklearen Explosionen – überall und durch jede Person.
Die Hauptaufgaben der CTBTO sind:
Überwachung: Betrieb des International Monitoring System (Internationales Überwachungssystem, IMS) und des International Data Centre (Internationales Datenzentrum, IDC). Diese nutzen weltweit seismische, hydroakustische, Infraschall- und Radionuklid-Sensoren, um mögliche Atomtests zu erkennen.
Verifikation: Entwicklung von Methoden und Technologien für Vor-Ort-Inspektionen sowie für die Datenanalyse.
Kapazitätsaufbau: Unterstützung von Ländern bei der Nutzung von Überwachungsdaten für zivile und wissenschaftliche Anwendungen (z. B. Erdbeben- und Tsunamiwarnung, Klimaforschung).
Diplomatische Unterstützung: Begleitung der Mitgliedstaaten in vertragsbezogenen Diskussionen und Vorbereitungen.
Obwohl der Vertrag noch nicht in Kraft getreten ist, da einige zentrale Atommächte ihn noch nicht ratifiziert haben, ist das Überwachungssystem bereits hoch funktionsfähig. Es hat Ereignisse wie die nordkoreanischen Atomtests registriert und diente frühzeitig der Tsunamiwarnung. Bis zum Inkrafttreten stellt das Provisional Technical Secretariat (Vorläufiges Technisches Sekretariat, PTS) sicher, dass alle administrativen, technischen und diplomatischen Elemente des Vertrags sowie die Verifikationsfähigkeiten aufgebaut sind.

Mit Inkrafttreten sieht der Vertrag ein mehrstufiges System zur Detektion und Bestätigung jeglicher Nuklearversuche vor; die abschließende Verifikationsmaßnahme ist eine Vor-Ort-Inspektion. Zweck einer Vor-Ort-Inspektion ist es festzustellen, ob eine nukleare Explosion unter Verletzung des Vertrags stattgefunden hat. Sie kann erst nach Inkrafttreten beantragt werden und benötigt die Zustimmung von mindestens 30 der 51 Ratsmitglieder. Für eine Vor-Ort-Inspektion wird ein Team von bis zu 40 Inspektorinnen und Inspektoren in das mutmaßliche Gebiet entsandt (max. 1 000 km²), um verschiedene Verfahren einzusetzen:
Visuelle Beobachtung und Überflüge;
Umweltprobenahme (Boden, Luft, Wasser, Vegetation);
Radiologische Messungen;
Geophysikalische Methoden: passives seismologisches Monitoring, aktive seismische Messungen, Resonanzseismometrie, Gravimetrie, Magnetik sowie elektromagnetische Verfahren – einschließlich zeit- und frequenzdomänenbasierter Messungen – und Bodenradar
Im Rahmen der Aktivitäten des PTS zu Instrumentierung, technologischen Tests und Bewertung aktiver seismischer Messungen wird LIAG-Wissenschaftler Dr. Bojan Brodic der Forschungsabteilung Geophysikalische Erkundung (Strukturen) in die Karstgebirge an der Grenze der Slowakei zu Ungarn reisen. Dort findet eine seismische Messkampagne über der Höhle Čachtická statt. Die Höhle ist derzeit die längste (mit 3 865 m) im Landschaftsschutzgebiet Malé Karpaty.
Ziel der Messungen ist es, die seismischen Antworten der P- und S-Wellen bekannter Hohlräume im Untergrund (hier: Höhle) zu verstehen, um solche Strukturen künftig schnell zu detektieren, die potenziell für verdeckte nukleare Explosionstests genutzt werden könnten. Dafür wird der elektrodynamische seismische Vibrator ELViS des LIAG eingesetzt. Über das Interesse an künftigen Vor-Ort-Inspektionen hinaus vergleicht die Kampagne ELViS mit einem handelsüblichen elektrischen seismischen Vibrator derselben Größenordnung und lotet die Spezifikationsgrenzen von ELViS zu niedrigeren Frequenzen aus – unter anderem mittels nichtlinearem Sweep von 4–120 Hz. Die Vergleichsdaten werden synchron aufgezeichnet, sowohl mit knotengekoppelten, drei-komponentigen (3C) Niederfrequenz-Seismometern (4,5 Hz-Geophonen) als auch über zwei unterschiedliche Typen von Glasfaserkabeln, die an ein System der verteilten akustischen Messung (Distributed Acoustic Sensing, DAS) angeschlossen sind. So entsteht ein einzigartiger Datensatz mit Einblicken in verschiedene aktuelle seismische Aufzeichnungstechnologien.
Erstmals wurde die Quelle mit einem vollständig digitalen, interaktiven Windows-basierten Steuergerät betrieben. Ebenfalls zum ersten Mal erzeugte ELViS seismische Signale bis hinunter zu 2 Hz; bislang galt eine Untergrenze von 20 Hz als maßgeblich. Beide Neuerungen gehören zur Weiterentwicklung der Quelle und eröffnen künftig Anwendungsmöglichkeiten in der seismischen Auswertung, etwa bei der Full-Waveform-Inversion (vollständige Wellenforminversion), die gerade niedrige Frequenzen benötigt.
Zugleich zielte der Feldtest darauf, das Potenzial seismischer Verfahren zur Detektion unterirdischer Strukturen zu prüfen – darunter menschengemachte Tunnel, natürliche Hohlräume und Höhlen sowie Dolinen. Solche Strukturen sind im Kontext verdeckter nuklearer Tests relevant; am LIAG werden sie traditionell auch unter dem Aspekt geologischer Gefahren untersucht. Erstmals kam die ELViS-Quelle gemeinsam mit einer aufstrebenden Technologie der seismischen Industrie zum Einsatz, bei der ein Glasfaserkabel als Messelement für das durch die Quelle angeregte seismische Wellenfeld dient: der verteilten akustischen Messung (Distributed Acoustic Sensing, DAS). Dabei werden Lichtimpulse mit Lichtgeschwindigkeit durch die Faser gesendet; aus der entlang der Faser rückgestreuten Lichtmenge werden kleinste Dehnungen der Faser bestimmt. Wenn eine seismische Welle die Faser kreuzt, ändern sich diese Signale messbar – die Faser wird damit einem Verbund aus Hunderten von Sensoren funktional gleichgestellt. Dieser Ansatz ist international ein viel diskutiertes Zukunftsthema und lässt sich perspektivisch in vielen Forschungslinien des LIAG nutzen.